Die Ferienzeit ist eine besondere Zeit im Jahr, besonders die Sommerferien nach überstandenem Schuljahr sind nicht nur von den Kindern herbeigesehnt, sondern auch wir Eltern können die freie Zeit manchmal gar nicht erwarten. Obwohl viele von uns Eltern jedes Jahr zu kämpfen haben, die Kinder gut unterzubringen, denn 9 Wochen Ferien haben nur wenige von uns. Mit Hort, Ferienlager, Großeltern und eigenem Urlaub ist es jedoch meist zu schaffen und mit jedem Schuljahr wird es einfacher, da ja auch die Kinder mit zunehmendem Alter auch für mehrere Stunden mal allein bleiben können. In der Volksschule ist das natürlich noch anders. Hier brauchen die Kinder eine Tagesbetreuung während Mama und Papa arbeiten. Und da viele Horte ein super Ferienprogramm bieten, sind die Wochen bis zum gemeinsamen Urlaub oft schnell vorüber.
Bleibt nur noch jene Frage offen:
Sollen Kinder in den Ferien lernen? Ja oder Nein?
In den vergangenen Jahren gewinnt diese Frage immer mehr an Bedeutung. Schon als mein Sohn die erste Klasse Volksschule besuchte, war das ein riesengroßes Thema. Es hat mich buchstäblich umgehauen, wie erpicht die Eltern darauf waren, von der Lehrerin genügend Arbeitsmaterialien für die Ferien zur Verfügung gestellt zu bekommen. Ich habe bis zu diesem Tag noch nicht einmal einen Gedanken daran verschwendet, ob mein Kind in den Ferien lernen sollte und es war bereits mein zweites Kind. Für mich bestand in der Volksschule dafür keine Notwendigkeit, wenn mein Kind während des Jahres keine gravierenden Probleme zeigte.
Aber manche, ja vielleicht sogar viele, Eltern machen sich Sorgen. Für sie ist der Herbst weit weg und doch so nah. Die Gedanken kreisen bereits um das kommende Schuljahr, das herausfordernder wird, das auf im vergangenen Schuljahr gelerntem Wissen aufbaut. Angst und Unwohlsein breitet sich in vielen aus. Wird mein Kind sich alles merken? Wird es den Anschluss nach einer derart langen Pause schaffen? Wird es alles vergessen? In manch angsterfüllten Minuten tun sich im Kopf wahre Horrorszenarien auf.
Ich denke Ruhe bewahren ist genau das Richtige für diese Situation. Ruhe bewahren und sich auch mal ein bisschen zurücklehnen und durchatmen. Dem Kind vertrauen und darauf vertrauen, dass es die Anforderungen schafft und am Ende alles gut wird.
JA! Die Kinder werden über die Ferien einiges an Wissen zurücklassen, sich nicht mehr an alles erinnern und Lücken aufweisen.
JA! Manche Rechtschreibfehler werden sich im Herbst dort und da wieder einschleichen.
JA! Die Lesegeschwindigkeit wird bei einigen Leseanfängern vielleicht wieder etwas nachlassen.
JA! Vokabel werden weg sein und auch manche Malreihen gingen wahrscheinlich schon mal besser!
Was solls‘!
Jedes Kind hat ein Recht auf Ferien, jedes Kind braucht Ferien, ebenso wie Erwachsene Urlaub brauchen.
Das Gehirn braucht eine Pause und es darf auch eine lange Pause sein. Wir alle sehnen uns nach dem Abstand zu unserem sonst so vollgepackten Arbeitsalltag und das ist bei Kindern nicht anders. Auch sie haben es sich verdient, Abstand zu gewinnen, sich zu erholen, die Ruhe zu genießen.
Ruhe vor dem Schulalltag. Ruhe bedeutet Urlaub. Ruhe heißt, sich seine Zeit frei einteilen zu dürfen. Ruhe heißt machen, wozu man gerade Lust hat.
Dem Gehirn die Lernpause gönnen, die es nach einem lernreichen Jahr braucht. Wissen, Erkenntnisse, Erfahrungen, Ereignisse, Neuigkeiten bearbeiten, sortieren, ordnen und auch rausschmeißen, wenn nötig, das ist notwendig, um für den Herbst wieder frisch und aufnahmebereit zu sein.
Ruhe bedeutet gerade bei Kindern nicht unbedingt still in einer Ecke zu sitzen und nichts zu tun.
Kinder sind in ihrer Ruhephase meist sehr lebendig, denn der Bewegungsdrang, den sie haben und in den Ferien ausleben dürfen, ist Teil der Verarbeitung des vergangenen Jahres.
Und diese Möglichkeit, einfach sie selbst zu sein und tun zu dürfen, was der eigenen Motivation jetzt entspricht, lässt ganz viele wundersame Dinge über die Ferien passieren.
DENN! Zehnerüberschreiten, was noch schnell in den letzten beiden Schulwochen durchgekaut wurde, gelingen im Herbst überraschend gut.
DENN! Das erste Buch wird über den Sommer allein und selbständig gelesen!
DENN! Erste Postkarten oder kurze Briefe an Freunde oder Großeltern werden geschrieben!
DENN! Jugendliche jobben oder machen Praktika!
DENN! Der Lego-Mindstorms-EV3 legt erstmals den einprogrammierten Weg zurück.
Kinder lernen frei zu schwimmen, lernen Einrad fahren, spielen Tennis, programmieren Spiele, nähen für ihre Puppen, backen einen Kuchen nach Rezept, verbringen einen Tag bei der Feuerwehr, erfinden mit Freunden Spiele und, und, und …
Und alles zusammen ist Ferienprogramm und gleichzeitig Lernen und Verarbeitung. Nicht nur die Malreihen und Rechtschreibung sind wichtig, sondern auch die Zusammenhänge der Natur kennenzulernen, sich auf die Natur einzulassen, sich bewegen, sich in der Umgebung zurechtfinden, sich mit seinen Freunden streiten und wieder versöhnen, …
Kinder im Schulalter haben eine Freiheit, die sie vorher nicht hatten. Sie dürfen sich in einem bestimmten Gebiet selbständig allein oder mit Freunden bewegen. Sie können ihre direkte Umgebung selbst erforschen und ihre eigenen Erfahrungen machen. Auf den Sportplatz oder Spielplatz gehen und sich mit Freunden zum Spielen treffen. Sich beim nahegelegenen Geschäft vom Taschengeld etwas kaufen. Und diese gewonnene Freiheit unterstützt sie beim Lernen über die Welt und über das Leben.
2 Gründe, warum Lernen in den Ferien sinnvoll sein kann
Dein Kind will in den Ferien lernen
Viele Kinder möchten in den Ferien Schulaufgaben machen. Sie möchten ihre Schulbücher fertig ausfüllen, Übungszettel machen, ein Ferienheft führen, in das sie jeden Tag etwas hineinschreiben oder rechnen. Dieser Drang darf und soll auch gestillt werden. Wenn Kinder sich dabei wohl fühlen und das machen möchten, dann sollte der Wunsch auf jeden Fall respektiert werden. Für diese Gelegenheit bieten sich die Ferienbücher zu den Schulbüchern an, mit deren Hilfe die Kinder, ihrem schulischen Bildungsniveau entsprechend, Aufgaben lösen können. Gerade an Mathematik interessierte Kinder möchten nicht wieder die Aufgaben vom Vorjahr wiederholen und lösen, sondern sich weiterentwickeln, da braucht es dann auch schon mal etwas herausforderndere Aufgaben, als die des passenden Ferienheftes. Die Kinder, die gerne schreiben, beginnen meist Texte zu schreiben, Geschichten zu verfassen oder gestalten Bilderbücher, da sind die Deutschunterlagen nicht so wichtig. Für diejenigen, die gerne die Grammatik und Schreiblehrgänge ausfüllen, bietet sich das Ferienheft an.
Wenn dein Kind tatsächlich Aufholbedarf hat
Ich spreche hier noch nicht von Kindern, die in einem oder mehreren Fächern eine Nachprüfung im Herbst haben, sondern von Grundschulkindern oder auch älteren Kindern, die ihre Schulstufe in allen Fächern positiv absolviert haben.
Ein Aufholbedarf in einem oder mehreren Fächern kann auch aufgrund anderer Umstände entstehen, z. B. wenn ein Kind über einen längeren Zeitraum krank war und einiges versäumte, eine Verletzung hatte, die Schreiben weniger ermöglichte, sich in einem Fach besonders schwertut, …
In diesem Fall empfiehlt es sich tatsächlich, in der zweiten Ferienhälfte einige Übungseinheiten zu gestalten. Überlege dir genau, was dein Kind nachholen, auffrischen oder vertiefen soll, damit es insgesamt nicht zu umfangreich wird. Lieber einzelne wichtige Gebiete, die vertieft werden sollen, als das große Ganze, das auch dich als begleitender Elternteil überfordert. Um dein Kind nicht zu überfordern ist es gut, mit einfachen Übungen zu beginnen, damit der erste Lernerfolg auch motiviert weiterzumachen. Erst dann steigern zu den schwierigen und verknüpften Aufgaben. Auf keinen Fall sollte das Üben zu einem „Vorlernen“ werden. Lieber die Basis festigen, als dein Kind mit neuen Dingen zusätzlich verwirren.
Tipps zur Gestaltung der Ferienlernzeit
- Hälfte der Ferien bleibt lernfrei
Bei Kindern, die Aufholbedarf haben, ist es total wichtig, dass die erste Ferienhälfte lernfrei bleibt. Die Ruhephase sei jedem Kind gegönnt, dann ist auch die Bereitschaft, das Lernen wiederaufzunehmen größer.
- Kein Leistungsdruck
Das ist das Um und Auf, sowohl bei Kindern, die freiwillig lernen, als auch oder ganz besonders bei jenen, die Aufholbedarf haben. Es muss nicht jeden Tag gelernt werden. In den Ferien gibt es auch Ausnahmetage bzw. Wochenenden, die „lernfrei“ sind. Es können auch nur 3 Lerntage pro Woche sein.
- Kinder in den Lernprozess aktiv miteinbeziehen
Dein Kind sollte auch aktiv die Lernzeiten mitgestalten. Es sollte mitentscheiden dürfen, welche Aufgaben es nacheinander machen möchte und mit welchem Fach es beginnen möchte. Kinder wissen sehr genau, welche Aufgaben ihnen einfacher und welche schwerer fallen. Zum Aufwärmen sind einfache Aufgaben immer gut und mit zunehmendem Erfolg greifen Kinder meist auch zu schwierigeren Aufgaben. Die Motivation bleibt so erhalten und dein Kind erlebt Selbstbestimmung beim Lernen.
- Die Lerneinheiten klein halten
Je kleiner und überschaubarer die Lerneinheiten, umso weniger Kraft kosten sie. Und wenn uns etwas nicht alles abverlangt, dann machen wir es auch gerne. Das gilt für Kinder, aber auch für uns Erwachsene. Wie viel Kraft möchte ich in der Lernbegleitung aufwenden? Auch für den begleitenden Elternteil sollte die Lerneinheit so gestaltet sein, dass es nicht zu viel wird. Sind Groß und Klein überlastet, kommt es häufiger zu Konfliktsituationen, und das erschwert die Lerneinheiten ungemein.
- Familienaktivitäten als Lerneinheiten nützen
Familienaktivitäten sollten in den Ferien immer im Vordergrund stehen. Und das können wir uns gerade im Lernen mit Grundschulkindern zu Nutze machen, denn viele Aktivitäten innerhalb der Familie sind wunderbare Lernsituationen und Übungssituationen für Kinder dieses Alters. Abwiegen von Zutaten und Rezept lesen beim Kochen, den Einkaufszettel schreiben lassen, im Geschäft etwas ausrechnen lassen oder im Regal nach dem richtigen Produkt suchen, im Garten ein Beet vermessen, die Fläche ausrechnen, den Umfang berechnen, Uhrzeit ablesen und, und, und … Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Und durch das Verbinden der praktischen Erfahrungen mit dem Schulstoff macht Lernen für Kinder auch Sinn.
Haben Kinder in der Schule gute Noten und möchten in den Ferien nichts für die Schule tun, dann können wir diesem Wunsch nachkommen. Es ist OK, neun Wochen nichts für die Schule zu tun. Ich denke, viele Kinder könne das sehr gut verkraften und holen eventuelle Unsicherheiten in den ersten Wochen wieder nach. Meine Kinder haben in den Sommerferien noch nie bewusst für die Schule gelernt; sie spielten viele Jahre lang Schule und das wars auch schon. Jedes Jahr haben sie den Anschluss wiedergefunden und konnten problemlos die nächste Klasse meistern.
Gerade in der Volksschulzeit der Kinder ist genügend Zeit für Spielen und Bewegung an der frischen Luft und Zeit zum Verreisen mit der Familie die beste Lernzeit, die man sich vorstellen kann.
„Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach da zu sitzen und vor sich hin zu schauen.“ Astrid Lindgren
Alles Liebe Christa