Mit meinem Text „Unser Weg aus der Schulkrise“ bewerbe ich mich für den scoyo ELTERN! Blog Award 2018. Drückt mir die Daumen.
Ein Freund von Schule? War ich nie! Weder während meiner Schulzeit noch in der Zeit danach. Wie das Leben so spielt, kaum bist du selbst aus der Schule, da stehen schon die eigenen Kinder vor dem Schuleintritt und alles dreht sich um das eine Thema.
Zahlreiche Überlegungen und Internetrecherchen auf der Suche nach einer Schule, wie ich sie mir für meine Kinder vorstellte, folgten. Öffentliche Schule? Private Schule? Waldorfschule? Montessori? Oder doch Home-Schooling? Fragen über Fragen und wenig zufriedenstellende Antworten.
Letztendlich kam ich zu dem Entschluss, die „perfekte“ Schule gibt es für mich nicht. Und da wir noch gar nicht so lange in unserem Haus am Land wohnten und auch das „Eingebunden sein“ in eine Gemeinschaft eine wesentliche Rolle im Leben von Kindern spielt, entschlossen sich mein Mann und ich für die Schule in unserem Wohnort.
Gut, im zweiten Schuljahr meines ersten Kindes zweifelte ich erstmals an unserer Entscheidung, denn nach einem Lehrerwechsel lief es so gar nicht mehr gut. Aus einer respektvollen und liebevollen Lernatmosphäre wurde eine belastende Lernsituation. Leistungsdruck, Vorwürfe gegenüber den Kindern, lautes Schimpfen und schlechte Stimmung im Klassenzimmer. Kein gutes Lernumfeld für ein 8-jähriges Kind, das immer häufiger nicht zur Schule gehen wollte.
Neben vielen Tränen, Wut, innerlichen Kampfansagen und Gedanken, die Schule zu wechseln, entschloss ich mich, vor diesem Problem nicht davonzulaufen, sondern mich ihm gemeinsam mit meinem Kind zu stellen. Unterstützt von meinem Mann, dessen Temperament weniger hitzig und mehr analytisch ist. Es folgten persönliche Lehrjahre als Mutter, als Schüler, als Mensch und als Familie, die einer Achterbahnfahrt der Gefühle glichen.
Auf der Suche nach dem geeigneten Handwerkszeug, das jetzt für uns alle notwendig war, setzte ich mich vor allem mit mir selbst auseinander.
Was machte es für mich bloß so schwer, mit dieser Situation umzugehen? Löwenmutter stand an erster Stelle, aber vor allem hatte sich mein Kampfgeist gegen das Schulsystem gemeldet und da gehörte das dem Wohlwollen eines Lehrers ausgeliefert sein für mich dazu. Das war es! Das brachte mich so sehr auf die Palme! Und in meiner Schulzeit kümmerte sich keiner darum, ob mir als Kind Unrecht widerfuhr, denn der Lehrer hatte immer recht und Eltern sollten sich, und taten es damals auch, aus Schulangelegenheiten raushalten.
Ja! Bei uns als Eltern sollte alles anders und besser werden. Es war mir nicht egal, wie es meinem Kind ging, und ich wollte, dass es wieder Freude an der Schule und am Lernen empfand.
Der Weg war nicht immer einfach, zahlreiche Sackgassen und auch persönliche Niederlagen hinderten uns scheinbar am Vorwärtskommen. Aber wir haben es geschafft und schauen mit Stolz auf unseren gemeinsamen Weg zurück.
Das hat uns geholfen:
Eigene Gefühle wahrnehmen und reflektieren
Schule macht mit jedem etwas, ob im positiven oder negativen Sinn. Es ist gut, wenn wir als Erwachsener unsere Gefühle kennen, wahrnehmen und sie so von denen unserer Kinder trennen lernen. „Was mir selbst passiert ist, muss nicht zwangsläufig meinem Kind passieren, aber es kann sein, dass sich ähnliche Muster wiederholen.“ Ich hatte zu meiner Schulzeit einige weniger erfreuliche Erfahrungen gemacht und ich musste lernen, meine Gefühle erstmal wahr- und anzunehmen, aber sie dann auch wieder beiseite zu legen. Denn meine Gefühle waren in der beschriebenen Situation eher hinderlich. Das Erkennen und Trennen lernen der eigenen Problematik von der des Kindes brachte für uns sofort erste Verbesserungen. Der Fokus verlagerte sich ins Hier und Jetzt zu meinem Kind und ich als Mutter konnte so auf die Gefühle meines Kindes besser eingehen und mit ihnen umgehen lernen. Gleichzeitig reduzierte sich auch der Ballast meines Kindes, denn es brauchte meine Wut und Trauer über die Situation nicht mitzutragen.
Sich Unterstützung holen und beraten lassen
In Krisen oder scheinbar ausweglosen Situationen ist es von großem Wert, sich Unterstützung zu holen und sich beraten zu lassen. Nach langen Überlegungen, wo ich mir wohl Hilfe holen könnte, wendete ich mich an eine Schulpsychologin. In Schulangelegenheiten schien mir die schulpsychologische Beratungsstelle die beste Wahl, da sie mit der Institution Schule bestens vertraut ist. In einem ausführlichen Gespräch wurden meine/unsere Schwierigkeiten besprochen und ernst genommen. Gleichzeitig eröffnete mir die Psychologin neue Perspektiven auf die Situation, die für mich, und somit auch für mein Kind, zu vielen Verbesserungen und Veränderungen führten.
Ebenso profitierte mein Kind von den Gesprächen mit der Schulpsychologin. Sie vermittelte ihm, dass seine Gefühle „wirklich“ sind. Sie sind nicht falsch oder übertrieben, sondern einfach da und um diese Gefühle muss man sich kümmern. Mein Kind erlernte auch einige Techniken, die es in „bedrohlichen“ Situationen anwenden konnte. Eine wunderbare Ressource, nicht nur in einer unangenehmen Schulsituation, sondern in vielen Lebenslagen.
Im Gespräch mit der Lehrerin
Wie gestalte ich Gespräche? Wie oft und wann soll ich das Gespräch suchen? Wie wichtig ist der Kontakt zur Lehrerin? Was kann und soll gesagt werden und wo ist die Grenze, die ich einhalten sollte? Rund um das Lehrergespräch beschäftigten mich eine Vielzahl an Fragen. Und es stellte sich schnell heraus, dass die Kommunikation mit der Lehrerin vermutlich eine der schwierigsten Aufgaben für mich war. Manche Gespräche endeten deprimierend und andere nahmen einen sehr positiven und auch manchmal überraschenden Ausgang. Je besser ich mich auf das Gespräch vorbereitete, desto besser verlief und zufriedenstellender endete es. In den zahlreichen Unterhaltungen hinterfragte ich Methoden und Vorgehensweisen der Lehrerin, um mir ein umfassenderes Bild zu machen. Ich teilte meine Beobachtungen und Sichtweisen mit, aber auch die meines Kindes. Wenn es die Situation erforderte, äußerte ich mich auch kritisch. Trotzdem versuchte ich auch immer wieder positive Rückmeldung zu geben, wenn Verbesserungen eintraten und mir etwas besonders gut gefiel.
Eine sehr wichtige Erfahrung resultierte aus diesem doch sehr intensiven Kontakt.
Ich – und dadurch auch mein Kind – lernte die Lehrerin von einer ganz neuen Seite kennen, einer sehr persönlichen Seite. Durch die Gespräche bauten sich die Schutzschilde, die wir beide (die Lehrerin und ich) aufgestellt hatten, ab. Es „menschelte“! Wir erreichten einen respektvollen und professionellen Umgang, der uns allen wirklich guttat. Meinem Kind, der Lehrerin und mir. Die positive Verbindung zwischen der Lehrerin und mir wirkte sich auch positiv auf die Verbindung zwischen meinem Kind und der Lehrerin, ja sogar auf die gesamte Unterrichtssituation aus.
Gespräche und Präsenz
Das Gefühlschaos konnte mit meinem Kind gut in Gesprächen geordnet werden. Wir verbrachten viel Zeit mit Reden aber auch mit Zuhören, vor allem beim Mittagessen nach der Schule und am Abend vor dem Einschlafen. Mittags kam meist die erste Frustwelle des Tages hoch. Es war wie eine Grundreinigung, damit an Hausübung überhaupt gedacht werden konnte. Aber die Erzählungen handelten auch von Begebenheiten aus dem Schulalltag und von den neusten Geschichten mit Freunden.
Am Abend kamen meist Themen hoch, die tiefer verborgen lagen. Wir alle kennen es von uns selbst, wenn wir im Bett liegen und die Gedanken und Gefühle des Tages uns wachhalten. Und genauso geschieht das auch bei Kindern. Es strengte mich oft sehr an, wenn an scheinbar gut gelaufenen Tagen doch noch so viel verborgene Trauer, Angst und Frust an die Oberfläche traten. Eine meiner größten Herausforderungen am Abend war, dass ich selbst die Ruhe bewahrte, denn die Müdigkeit verursachte auch in mir Spannungen, die sich leicht in Ungeduld oder gar Wut umwandelten. Ich musste lernen, dass ich für die aufkommenden Gefühle jetzt keine Lösung finden und sie auch nicht verändern musste, damit mein Kind sich besser fühlte. Es reichte, für mein Kind da zu sein, zuzuhören und die Gefühle so wie sie waren zuzulassen, ohne sie zu bewerten. Präsenz und Offenheit gegenüber den kindlichen Gefühlen unterstütze mein Kind, es konnte mir frei erzählen, was es bewegte und ich musste mir keine schlauen Antworten zurechtlegen, die ich ohnehin nicht hatte. Ich versuchte einfach, da zu sein.
Einbringen in die Schulgemeinschaft
Die Tätigkeit im Elternverein der Schule war mir von Anfang an wichtig, denn die Weiterentwicklung der Schule lebt von Menschen mit Ideen und freiwilligen Helfern. Es ist immer einfacher zu schimpfen, als aktiv zur Verbesserung beizutragen. Auch wenn die Mitarbeit im Verein in erster Linie dem Allgemeinwohl dient, vermittelte sie mir ein Gefühl des Aktivseins für mein Kind. Ich trage aktiv dazu bei, dass Veränderungen und Verbesserungen gelingen können. Verbesserungen im Umfeld der Schule machen die Situation für Lehrer und Schüler und auch für mich angenehmer.
Genügend Freizeit und Freiräume schaffen
Die größte Anstrengung für mein Kind beinhaltete nicht das Lernen an sich, sondern die Verarbeitung der eigenen Gefühle und der „unfassbaren“ Eindrücke, die im Laufe eines Vormittags auf es einstürmten. Da kam der Freizeitgestaltung besondere Bedeutung zu. Genügend Ruhezeiten, wo es für sich alleine spielen konnte, aber auch das gemeinsame Spiel mit Freunden hatten hohen Stellenwert. Genügend Zeit, seinen kindlichen Interessen nachzugehen, zu malen, basteln und spielen, spielen, spielen. Das war der beste Ausgleich für den anspruchsvollen Vormittag.
Cranio Sacral Balancing und Body Talk
Diese zwei Methoden aus dem Bereich der Humanenergetik unterstützten sowohl mich, als auch mein Kind. Gerade bei Kindern zeigen sich seelische Probleme häufig in körperlichen Symptomen, wie Bauchweh, Halsschmerzen, Kopfschmerzen, usw. Aber auch als Erwachsener passiert es, dass aufgrund hoher seelischer Belastungen Rückenschmerzen, Nackenschmerzen, Migräne, usw. auftreten. Mit der Unterstützung beider Techniken konnten sich körperliche Beschwerden nicht manifestieren und der allgemeine Energielevel, der in besonders schwierigen Zeiten schon mal ganz unten war, konnte harmonisiert werden. Viele Fehlzeiten, die durch chronische Beschwerden entstehen können, blieben uns dadurch erspart.
Zeit für Nachhilfe
Mein Kind brauchte keine Nachhilfe im herkömmlichen Sinne, da es dem Unterricht meist sehr gut folgen konnte. An manchen Tagen jedoch, wenn wieder schlechte Stimmung herrschte, klappte das mit der Konzentration oder dem Verstehen nicht so recht. „Wenn die Umgebung keine Sicherheit bietet, entsteht eine Stresssituation, in der nichts oder nur wenig dazugelernt werden kann.“ An solchen Tagen war es besonders wichtig, dass ich zu Hause genug Zeit hatte, damit ich einzelne Schritte in Mathematik erklären und wiederholen konnte und so keine Verständnislücken entstanden. Es nahm meinem Kind auch den Druck, immer alles in der Schule verstehen zu müssen. Es war mir wichtiger, dass es in der Schule erst gut für sich selbst sorgte und danach kümmerten wir uns zu Hause um die schulischen Inhalte, die noch ergänzt werden mussten.
Kung Fu
Eines Tages bestand der Wunsch diese Kampfkunst zu erlernen. Das veränderte das Leben meines Kindes innerhalb weniger Wochen und Monate gänzlich. Mentale Stärke und Selbstbewusstsein entwickelten sich. Es entstand eine ganz neue, eigenständige und starke Persönlichkeit, die sich nicht so schnell aus der Fassung bringen ließ. Kraft, Mut, Konzentration und innere Stabilität waren nur einige der vielen positiven Folgen, die diese Entscheidung brachte. Mein Kind lernte dadurch, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und dass es selbst der Meister seines Lebens ist.
Ich hatte nie Bedenken, dass mein Kind in der Grundschule Probleme haben könnte. Ich ging positiv gestimmt und zuversichtlich der Schulzeit entgegen. Es konnte lesen, es beherrschte bereits den ersten Umgang mit Zahlen, war sprachlich der Zeit voraus und sehr kreativ. Es pflegte genügend soziale Kontakte und interessierte sich vielseitig. Offensichtlich reif für die Schule.
Trotzdem hat sich die Seele noch auf den rauen Wind der Schule einstellen müssen und unsere Elternseele auch.
Rückblickend betrachtet – unser Weg hat sich gelohnt und noch heute ernten wir die Früchte unserer Arbeit – unser ganz persönlicher Erfolg.
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Es ist schwierig zu beurteilen, welche Förderung Kinder gut auf die Schule vorbereitet und welche Unterstützung Kinder während ihrer Schulzeit brauchen. Es hängt von der Geschichte des Kindes, ja wahrscheinlich der ganzen Familie ab.
Manche brauchen einen Nachhilfelehrer, weil es in einem Fach einfach nicht klappen will. Andere einen Schulwechsel, weil es nicht die richtige Schule oder der richtige Schultyp ist. Bei einigen genügt ein Lehrerwechsel. Wieder andere brauchen eine Ergotherapie oder eine Psychotherapie. Manche brauchen Musik und andere Sport. Und manche brauchen einfach nur die Befreiung aus der Schule!
Alle gemeinsam aber brauchen sie ihre Eltern, die an sie, ihre Fähigkeiten, Fertigkeiten und ihr Urteilsvermögen glauben. Eltern, die den Kindern zur Seite stehen, auch wenn es „gefährlich“ oder schon unerträglich wird. Eltern, die da sind, die an ihre Kinder glauben und darauf vertrauen, dass jedes Kind seinen Weg machen wird.
Kinder brauchen Eltern, die sie lieben, die sie begleiten und ihnen zutrauen, dass sie ihr Leben meistern!
Alles Liebe Christa