„Besonders aber gebe man dem Gehirn das zu seiner Reflexion nötige, volle Maß des Schlafes, denn der Schlaf ist für den ganzen Menschen, was das Aufziehen für die Uhr“
— Arthur Schopenhauer
„Ich will noch nicht ins Bett gehen! Ich bin noch gar nicht müde!“ Da waren sie wieder, jene Sätze, die mich seit Jahren am Abend immer wieder begleiten. „Und außerdem dürfen andere Kinder viel länger aufbleiben als ich. Und die sind jünger!“ Und schon die nächsten Seitenhiebe. Kurz halte ich inne und überlege, ob ich zu streng bin und während der Schulzeit rechtzeitig ins Bett gehen zu ernst nehme. Nein, ich bleibe dabei! Meine Kinder sollen ausreichend schlafen, um am nächsten Schultag fit zu sein! Das funktioniert jedoch nur, wenn sie rechtzeitig zu Bett gehen. Denn am nächsten Tag heißt es um 6 Uhr „Aufstehen!“.
Einschlafen … ins Bett bringen … Ausschlafen … Durchschlafen … Mittagsschlaf … in Ruhe schlafen ….
Sobald Kinder auf die Welt kommen, bekommt Schlafen und alles, was es drumherum zu beachten gibt, eine neue Gewichtung. Manchmal hast du vielleicht sogar das Gefühl, dass sich alles nur noch ums Schlafen dreht. Du hast zu wenig Schlaf und du fühlst dich gestresst, weil dein Kind noch nicht solange schläft, wie das Kind der Freundin. Oder umgekehrt, dein Kind schläft zu Mittag noch immer und das Kind deiner Nachbarin schon lange nicht mehr.
Bis zum Schulalter sind die ersten Hürden des Schlafens meist überwunden. Dein Kind hat seinen regelmäßigen Tagesrhythmus und fällt nach einem anstrengenden Kindergartentag müde ins Bett. Auch zu Beginn des Schuleintritts reguliert sich der Schlaf- und Wachrhythmus durch die Umstellung auf die neue Anforderung an dein Kind und es ist relativ einfach, das Kind zum Zubettgehen zu bewegen.
Aber mit zunehmendem Alter wird es schwieriger, dein Kind davon zu überzeugen, dass Schlafen ein wichtiger Teil des Tages ist und jedes Kind ausreichend Schlaf braucht. Und irgendwann, nach der 100. Aufforderung ins Bett zu gehen, gibst du vielleicht auf und denkst dir „Was soll‘s!“
Schlafen ist unter den Kids uncool. Sie brüsten sich damit, wie spät sie ins Bett gehen und was sie nicht alles zu später Stunde treiben. Vor allem Computer, Smartphone und Tablet halten unsere Jugend wach. Schlafen ist bei Kindern und Jugendlichen, aber auch bei vielen Erwachsenen, nicht mehr modern.
Und obwohl Schlaf scheinbar die größte Nebensache der Welt geworden ist, beschäftigen sich heute zahlreiche Gehirnforscher, Schlafmediziner und Schlafforscher mehr denn je mit diesem Thema.
In den vergangenen Jahren erlangten die Wissenschaftler immer wieder neue Erkenntnisse darüber, welche Vorgänge während des Schlafens in unserem Körper/Gehirn passieren und wie sich Schlafmangel und Schlafstörungen auf unsere Psyche und unseren Organismus auswirken.
Was passiert in deinem Körper, während du schläfst?
Obwohl du dich zur Ruhe legst, ist dein Körper während des Schlafes sehr aktiv. Es werden eine Menge geistiger und körperlicher Aufgaben erledigt. Du brauchst dadurch in den Nachtstunden fast ebenso viel Energie, wie während des Tages.1
Die Dunkelheit beim Hinlegen regt deinen Hormonhaushalt an Melatonin zu produzieren. Dieses Hormon brauchst du, damit du schlafen kannst. Melatonin signalisiert dem Körper „Jetzt beginnt Schlafenszeit“ und der Körper reagiert darauf, indem die Herzfrequenz abnimmt und der Blutdruck und die Körpertemperatur sinken. Die Atmung wird ruhiger und die Muskulatur entspannt sich.
Dieses Verlangsamen und Absinken begünstigt die Regeneration des Herz-Kreislauf-Systems. Dein Herz wird dadurch geschützt.
Ebenso hat genügend Schlaf positive Auswirkungen auf deinen Blutzuckerspiegel.
Während des Schlafens wird auch das Wachstumshormon Somatotropin aktiv, das das Knochenwachstum und den Muskelaufbau vorantreibt. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen ist dies in intensiven Wachstumsphasen ein Grund dafür, dass sie extrem viel Schlaf brauchen. Zu den Aufgaben dieses Hormons gehört, neben dem Wachstumsprozess, auch die Regeneration der Körperzellen und der Gewebezellen.2
Leptin und Ghrelin sind im Schlaf aktiv und steuern das Hungergefühl, (Leptin – appetitzügelnd, Ghrelin – appetitanregend).
Und Hormone arbeiten während der Nachtruhe auch an der Regeneration und Neubildung von Hautzellen, was einerseits einen Anti-Aging-Effekt hat und andererseits Wundheilung beschleunigt.
Grundsätzlich wird während des Schlafens im Körper das Stresshormon Cortisol abgebaut. Jedoch eine Reihe hormoneller Abläufe aktiviert das Cortisol gegen Morgen wieder und signalisiert dem Körper, dass es Zeit ist, aufzustehen.3
Im Schlaf werden neben den weißen Blutkörperchen auch Abwehrzellen gebildet, die Viren und Bakterien bekämpfen und beseitigen. Dies bewirkt eine nächtliche Stärkung des Immunsystems.
Im Schlaf sind alle unsere 5 Sinne aktiv. Damit du trotzdem gut schlafen kannst, gibt es in deinem Gehirn eine Überwachungsstation, den Thalamus. Er filtert die Sinneseindrücke vor und gibt dann Alarm, wenn etwas Ungewöhnliches passiert oder gewohnte Reize ausbleiben. Das heißt, der Thalamus veranlasst, dass ungewöhnliche Reize, wie z. B. Schreien, Sirene, Knall, etc, in dein Bewusstsein dringen und dich aufwachen lassen. Je enger diese Reize mit deinen Emotionen verknüpft sind, umso schneller wirst du geweckt. Das hast du bereits erlebt, als dein Kind noch ein Baby war und dich zu Beginn jede kleinste Regung deines Babys aufwachen ließ. Dieses Phänomen wird als Ammenschlaf bezeichnet.
Aber auch das Ausbleiben von Reizen, wie des Umgebungslärms deiner Heimatstadt, der am Urlaubsort fehlt, lässt dich unruhiger Schlafen.4
Schlafphasen
Schlaf wird in verschiedene Schlafphasen eingeteilt, die sich in einem bestimmten Rhythmus immer wieder wiederholen.
Die Einschlafphase
Es ist die Übergangsphase vom Wachzustand in den Schlaf. Der Körper entspannt sich und das Gehirn kommt etwas zur Ruhe.
Die Leichtschlafphase
In dieser Phase entspannt sich der Körper noch mehr, die Herzfrequenz verlangsamt sich, die Atmung wird ruhiger und die Muskeln entspannen sich.
Die Tiefschlafphase
Sie ist die erholsamste Schlafphase, denn dein Körper ist nun ganz entspannt. In dieser Phase werden die Wachstumshormone ausgeschüttet, die für die Zellregeneration zuständig sind. Und in dieser Phase passieren auch wichtige Gehirntätigkeiten, die für das Lernen eine große Rolle spielen. Informationen, die tagsüber in einem Zwischenspeicher abgespeichert wurden, werden nun ins Großhirn dauerhaft abgespeichert.
Die REM-Schlafphase
Sie schließt an die Tiefschlafphase an. REM ist die Abkürzung für Rapid Eye Movement. Diese Phase ist von sehr vielen, sehr schnellen Augenbewegungen unter den geschlossenen Lidern gekennzeichnet. Die Gehirnaktivitäten ähneln denen im Wachzustand. In dieser Phase träumst du sehr viel. So passiert in dieser Zeit sehr viel Informationsverarbeitung.
Wie viel Schlaf braucht der Mensch?
Der Artikel „Wie viel Schlaf tut gut?“ von Daniela Zeibig aus der Zeitschrift Spektrum der Wissenschaft KOMPAKT enthält Empfehlungsdaten der US-amerikanischen Sleep Foundation zur idealen Anzahl an Schlafstunden für verschiedene Altersgruppen:
Neugeborene bis zum dritten Lebensmonat: 14 bis 17 Stunden pro Tag
Kleinkinder zwischen 4 und 11 Lebensmonaten: 12 bis 15 Stunden pro Tag
Im ersten und zweiten Lebensjahr: 11 bis 14 Stunden pro Tag
Für Vorschulkinder bis zum 5. Lebensjahr: 10 bis 13 Stunden
Schulkinder zwischen 6 und 13 Jahren: 9 bis 11 Stunden
Teenager zwischen 14 und 17 Jahren: 8 bis 10 Stunden
Junge Erwachsene und Erwachsene: 7 bis 9 Stunden
Ältere Menschen ab 65 Jahren: 7 bis 8 Stunden5
Wie entsteht der Schlafmangel und welche Probleme ergeben sich daraus?
Der Wissenschaftsjournalist Peter Spork beschreibt in seinem Buch „Wake up! Aufbruch in eine ausgeschlafene Gesellschaft“ wie wichtig ausreichend Schlaf zur passenden Zeit ist. Das heißt es ist nicht nur die Länge der Nachtruhe, sondern auch der richtige Zeitpunkt des Schlafes von Bedeutung.
Wir alle haben einen Schlaf- und Wachrhythmus in uns, von Geburt an. Dieser verändert sich mit der Entwicklung, die wir Menschen durchmachen.
Heute ist vielen von uns der natürliche Schlaf- und Wachrhythmus etwas verloren gegangen und wir haben verlernt, mit der biologischen Taktung zu leben oder können aufgrund äußerer Einflüsse, wie Arbeit und Schule, nicht auf unsere innere Uhr hören und darauf reagieren. Aber auch die Lichteinflüsse durch die starke Beleuchtung von Städten, Bildschirme von Fernsehern, Computern und Handys, senden unserem Körper falsche Signale. Durch die Lichtverschmutzung, wie Peter Spork sie nennt, wird die Produktion des Nachtboten Melatonin hinausgezögert. Die Müdigkeit nehmen wir zu wenig oder gar nicht mehr wahr. Dies hat zur Folge, dass viele von uns zu spät ins Bett gehen, was wiederum zu Schlafmangel führt, da wir trotzdem am Morgen zeitig aufstehen müssen. Unser Schlafmangel kann sich innerhalb kürzester Zeit zu einem erheblichen Schlafdefizit aufbauen, das zahlreiche gesundheitliche Probleme nach sich ziehen kann.6
Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Adipositas und Infektanfälligkeit sind einige Erkrankungen, die mit Schlafdefiziten in Verbindung gebracht werden. Depressionen, mangelnde Lebensfreude und erhöhte Reizbarkeit zeigen sich auf psychischer Ebene. Und neben einer mangelnden körperlichen Leistungsfähigkeit kommt es auch zu einer verringerten Lern-, Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit. 78
Was lernt oder festigt dein Kind im Schlaf, was für seine Entwicklung und sein Lernen wichtig ist?
- Dein Kind kann Gedächtnisinhalte abspeichern, ohne von anderen Sinneseindrücken gestört zu werden.
- Eindrücke, Erlebnisse und Informationen werden vom Kurz– ins Langzeitgedächtnis übermittelt und dort mit vorhandenen Inhalten verknüpft.
- Motorische und koordinative Bewegungsabläufe, wie Schreiben, Schneiden, Auto fahren, Rad fahren, etc. werden abgespeichert und in den dafür vorhergesehenen Gehirnarealen verankert.
Was bringt ausgeschlafen sein beim Lernen?
- Dein Kind kann während des Unterrichts aufmerksamer sein, was in vielen Fächern eine Menge zusätzliches Lernen erspart.
- Dein Kind kann sich besser und länger konzentrieren, was für dein Kind einen schnelleren Lernerfolg bringt und auch Zeit spart.
- Dein Kind kann auch unter erhöhtem Zeitdruck oder in schwierigen Situationen konzentriert und fokussiert arbeiten.
Du und dein Kind habt ausgeschlafen einen Vorteil gegenüber den nicht ausgeschlafenen, denn eure Talente und Fähigkeiten stehen euch ganz und gar zur Verfügung und können ausgeschlafen optimal genutzt werden.
Ich finde es wichtig, dass du dir darüber klar bist, wie wichtig Schlaf für dich und dein Kind ist. Ich selbst habe Jahre gebraucht, um festzustellen, dass meine immer wiederkehrende Gereiztheit und meine daraus resultierende Ungeduld mit den Kindern, mit meinem Mann, meiner Arbeit, mit anderen Menschen und auch mit mir und meiner Leistung, sehr viel mit meinem Schlafdefizit zu tun hat. Und es fiel mir schwer, dies einzugestehen, aber vor allem fiel es mir schwer, meine Gewohnheiten, wie lange aufbleiben, nächtliches Surfen, Kaffee trinken am Abend, langes Lesen, etc. loszulassen. Ich war felsenfest davon überzeugt, dass ich nur nachts meine Ruhe habe und meinen Interessen nachgehen kann. Heute gehe ich zeitig zu Bett und genieße die gewonnene Zeit am Tag. Mit kleinen Kindern ist dies natürlich nicht immer ganz so einfach, jedoch kann ein Mittagsschläfchen mit dem kleinen Kind Wunder wirken und hilft den Schlafmangel auszugleichen.
Was berücksichtige ich, damit meine Kinder genügend erholsamen Schlaf erhalten?
Die genannten Punkte gelten für mich vor allem zu Schulzeiten und werden dann auch meist eingehalten.
- Eine bis eineinhalb Stunden vor Schlafenszeit dürfen keine Computer- oder Consolenspiele gespielt werden.
- Eine Stunde vor dem Schlafen wird nicht mehr ferngesehen.
- Am Abend gibt es keine Limonaden, keine stark gesüßten oder koffeinhaltigen Getränke oder Energydrinks.
- Ich bereite das Abendessen rechtzeitig zu, da die Nahrungszufuhr neue Power gibt. Das ist abends um 7 oder 8 Uhr nicht mehr nötig und es schläft sich besser, wenn der Magen nicht frisch gefüllt ist.
- Ich versuche eine gemütliche Atmosphäre zu schaffen, indem nicht jede Lichtquelle eingeschaltet ist.
- Ich versuche bei meinen Haushaltsaktivitäten einen Gang herunterzuschalten, denn heute weiß ich, ich muss am Abend nicht mehr eine Stunde staubsaugen. Ich mache nur noch das Notwendigste. Somit strahle ich den „Feierabendmodus“ aus, der auch auf die anderen Familienmitglieder wirken soll.
- Gemeinsame Zeit – mit jedem Kind einzeln – ist mir sehr wichtig. Es ist seit ihrer Geburt ein Ritual vor dem Schlafen gehen. Als sie ein Baby waren, habe ich ihnen vorgesungen. Später habe ich ihnen vorgelesen. Heute besprechen wir meist wichtige Themen rund um Schule und Freunde. Diese Themen kommen meist erst zur Sprache, wenn es ruhig wird und sie nicht mehr durch die Hektik des Tages abgelenkt sind. Diese Viertelstunde ist sehr wertvoll und gibt das Gefühl, vor dem Schlafen nochmals alles losgeworden zu sein und ist somit ein guter Tagesausklang.
Ich genieße die Ruhe im Haus, wenn alle in ihren Betten liegen. Ein paar Minuten auf dem Sofa sitzen und den Abend genießen. Hier und da höre ich ein Knacken und Katzen, die ihren Nachtaktivitäten nachgehen. Ein letzter Check, ob alles für den morgigen Tag vorbereitet ist und noch ein Happen frische Luft, bevor die Fenster die kühle Nachtluft des Herbstes aussperren.
Ich wünsche euch allen eine gute und erholsame Nacht!
„Der Schlaf sei das tägliche Brot deiner Seele.“
— Carl Ludwig Schleich
- Vgl. Peter Spork, Wake up! Aufbruch in eine ausgeschlafene Gesellschaft, München 2016, 19
- Vgl. Dietlinde Hebestreit, Schlafen ist die beste Medizin, OÖNachrichten Gesundheit, 15.März 2017, 1
- Vgl. Peter Spork, Wake up! Aufbruch in eine ausgeschlafene Gesellschaft, München 2016,26
- Vgl. Dietlinde Hebestreit, Schlafen ist die beste Medizin, OÖNachrichten Gesundheit, 15.März 2017, 1
- Vgl., Daniela Zeibig, Wieviel Schlaf tut gut?, Spektrum der Wissenschaft KOMPAKT Schlafen und Träumen Unser Körper im Ruhezustand, 12.Februar 2015, 20
- Vgl. Peter Spork, Wake up! Aufbruch in eine ausgeschlafene Gesellschaft, München 2016
- Elie Dolgin, Guter Schlaf für gute Gesundheit, Spektrum der Wissenschaft KOMPAKT, Schlafen und Träumen Unser Körper im Ruhezustand, 2015, 13-18
- Vgl. Peter Spork, Wake up! Aufbruch in eine ausgeschlafene Gesellschaft, München 2016