Eine Pandemie mitzuerleben geht an die Nieren. Einschränkungen, Verbote, Vorschriften.
Veränderungen, die unsere Freiheit beschneiden, sind besonders anstrengend für uns und erzeugen in vielen von uns enorme Widerstände.
Alle bestehenden und noch anstehenden Veränderungen kosten uns enorm viel Kraft, werden uns an vielen Tagen verzweifeln lassen, uns überfordern und uns noch jede Menge abverlangen.
Wo Schatten ist, ist auch Licht!
Und wenn meine Gedanken so dahinjagen, dann fällt mir auf, dass scheinbar schlechte oder unwillkommene Veränderungen, Einschränkungen, die sogenannte „neue Realität“, auch ihre guten Seiten in sich tragen. Es sind so kleine Dinge, die in manchem Menschenleben, wenn sie anders oder alternativ gelebt werden, Großes und Positives bewirken können.
Begrüßung ohne Händeschütteln
Für viele Menschen ein „No–Go“ – eine Begrüßung, ohne einander die Hand zu geben. Aber betrachten wir es aus den Augen von 2 oder 3-jährigen Kindern, die täglich in Krabbelgruppen oder Kindergarten zu einer Begrüßung mit Handschlag verpflichtet werden, im schlimmsten Fall mit eingefordertem Augenkontakt. Für diese Kindern, deren schlimmste Minute des Tages die geforderte Begrüßung ist, genau für die, können alternative Begrüßungsvarianten, wie sie jetzt in vielen Einrichtungen gefunden werden, geradezu einen Segen bedeuten. Denn seien wir ehrlich: Ein schüchternes Zuwinken kann eine ebenso herzliche Begrüßung sein, wie die Hand zu geben. Vielen Kindern, aber auch vielen Erwachsenen kann das eine große Hilfe im Alltag sein, ohne sich erklären zu müssen, warum sie nicht gerne die Hand geben.
Neue Realität: Alternative Begrüßungen als neue gesellschaftliche Errungenschaft!
Gewissenhafte Reinigung in Schulen
Jeder weiß, dass es in Schulen mit der Reinigung nicht immer so genau genommen wird, dass am Reinigungspersonal gespart wird und der Großputz meist nur in den Sommerferien erfolgt. Diese Erfahrung haben wir Eltern an so manchen Elternabenden gemacht, wenn wir in Klassenzimmern mit Spinnweben an den Decken, jeder Menge Papierschnipsel und Taschentüchern am Boden und klebrigen Tischen gesessen sind. Bereits am ersten Schultag nach dem Lockdown erzählte unser jüngstes Kind davon, dass die Schule noch nie so sauber war wie jetzt. Eine wunderbare Veränderung. Diese Sauberkeit sollte auch nach den Lockerungen unbedingt beibehalten werden. Sauberkeit an dem Ort, an dem Kinder und Jugendliche oft den größten Teil ihres Tages verbringen, an dem Schüler und Schülerinnen lernen, an dem sich Menschen begegnen, macht ein gutes Gefühl.
Neue Realität: In die Sauberkeit von Schulen weiterhin Zeit investieren!
Selbstständiges Öffnen von Straßenbahn- und Bustüren in den Stationen
Wer kennt’s? Du drückst den Halteknopf und die Türe des Buses geht dennoch nicht auf … weil nicht fest genug gedrückt … weil Drücker kaputt … warum auch immer. Pandemie macht’s möglich – alle Türen öffnen automatisch. Ältere Menschen oder solche, die unter Verletzungen leiden und während der Fahrt nur schwer aufstehen können, Mamas, die den Kinderwagen bugsieren müssen, Erstklässler, die eingepfercht zwischen den Schülern und Schülerinnen aus höheren Klassen stehen. Sie alle sind dankbar, wenn der Bus stehenbleibt und die Türe öffnet, auch wenn an Drücken nicht zu denken war. Für viele Menschen eine Erleichterung, die im Alltag einfach umzusetzen ist.
Neue Realität: Türen öffnen automatisch!
Weniger SchülerInnen – mehr Platz im Klassenzimmer – besseres Lernen?
Wir alle wissen, wie eng zusammen unsere Kinder in den Klassenzimmern ihre Schulstunden verbringen. In manchen Klassen stehen Tische so eng zusammen, dass, wenn ein Jugendlicher auf die Toilette muss, SchülerInnen einer gesamten Sitzreihe aufstehen müssen, damit der vorbeikommt. Wenn weniger SchülerInnen in einer Klasse sind, ist auch gleich viel mehr Platz. Die Kinder sitzen nicht so dicht gedrängt und es bleibt auch noch Platz für alternative Sitzordnungen oder eine gemütliche Sitzecke.
Ich bin fest davon überzeugt – ein Lernklima verändert sich zum Positiven, wenn Kinder genügend Platz haben, wenn die Schüleranzahl in den Klassen reduziert wird, die LehrerInnen entspannter unterrichten können und besser auf ihre SchülerInnen eingehen können. Inklusion und Integration kann gelebt werden und so profitieren am Ende alle gemeinsam.
Wären weniger Kinder und Jugendliche in unseren bestehenden Klassenräumen, könnten während der Pandemie, durch Veränderungen des Sitzplans, auch alle am Unterricht teilnehmen.
Neue Realität: Schüleranzahl in Klassen senken bei gleichbleibend großen Klassenzimmern!
Weniger Prüfen – mehr Zeit für gemeinsames Lernen!
Ein Semester mit einzelnen Schularbeiten oder gar keinen Schularbeiten. Wer hätte gedacht, dass auch das möglich ist. Ein wunderbares Ereignis für alle SchülerInnen, Schüler und ihre Eltern.
Lernen kennen wir als Abprüfen, von Oktober bis Februar, von März bis Juni, unterbrochen von Ferien. Da taucht auch zu Recht in manchen die Frage auf: Wann lernen SchülerInnen gemeinsam in der Schule?
Lernen ist ein Prozess, der Pausen braucht, der „Verdauungszeit“ braucht, der Wiederholung braucht, der Zeit zum Nachdenken braucht, der Erfahrung braucht; eigene Erfahrungen, in denen Fehler gemacht werden dürfen, „ohne dass mir dadurch etwas passiert“.
Diese Lernprozesse des Forschens, des Experimentierens, des Sammelns von Erfahrung und Fehler machen dürfens, könnten an Schulen ganz neu aufleben.
„Es gilt jetzt – weniger ist mehr!“ so Bildungsminister Heinz Faßmann in zahlreichen Pressekonferenzen.
Weniger Prüfung – mehr Zeit für gemeinsame Lernprozesse!
Weniger klassische Prüfungssituationen – mehr alternative Möglichkeiten, erworbene Kompetenzen zu präsentieren.
Neue Realität: Nicht für die Prüfung, sondern für uns lernen wir!
Alles Liebe
Christa