Viele von uns Eltern scheuen das Gespräch mit den Lehrern unserer Kinder. Warum?
Vielleicht, weil wir uns wieder als Schüler fühlen? Klein und eingeschüchtert?
Vielleicht haben wir auch Angst, dass wir etwas über unser Kind erfahren, was wir nicht hören oder sehen möchten?
Vielleicht hat der Lehrer das Wesen meines Kindes aber auch gar nicht erkannt?
Vielleicht überwiegt unsere Wut auf Schule und Lehrer so sehr, dass an einen vernünftigen und effektiven Austausch gar nicht zu denken ist?
Es gibt vermutlich noch viele Gründe, warum wir mit Lehrern nicht so gerne verhandeln. Meist sind es eine Menge schlechter Erfahrungen, die uns bremsen.
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Es war sehr ernüchternd für mich, als mir die Volksschullehrerin meiner Tochter beim Elternsprechtag im Dezember erklärte: „Es gibt eh nichts.“
Ich weiß nicht mehr, welches Gefühl überwog: die Wut über die nichtssagende Auskunft oder die Enttäuschung, wie wenig Notiz von meiner Tochter genommen wurde.
Ich erwartete mir Aufschluss darüber, was die Stärken und Schwächen meines Kindes sind und wie die Lehrerin mein Kind sieht. Ich wollte erfahren, wie sich mein Kind entwickelt und vor allem, wie es ihm in der Klasse geht. Da meine Tochter durch eine Klassenzusammenlegung erst in der zweiten Schulstufe in ihr aktuelles Umfeld kam, war das für mich ein wichtiger Punkt. Immerhin war sie eine der „Neuen“.
Auf mein Nachfragen erfuhr ich dann so Stück für Stück, dass meine Tochter „halt nicht so schön schreibt und im Sachunterricht nicht so oft aufzeigt wie andere Kinder.“ Ich erfuhr auch, dass 1 Fehler beim Wörterfrühstück „gerade noch geht“ und dass sie „eh brav ist“.
Wäre die Unterhaltung anders verlaufen, hätte sie zum Beispiel einen anderen Einstieg gehabt, hätte ich diesen Informationen nicht solches Gewicht gegeben.
Ein Gespräch zu führen ist nicht einfach und das wollte ich nach diesem Erlebnis ändern. Ich wollte nicht mehr wütend aus so einem Austausch gehen. Wütend auch darüber, weil ich der Unterhaltung keine positive Wendung habe geben können. Mein Widerstand gegenüber der Lehrerin war danach scheinbar unüberwindbar groß.
Ich wollte das verändern, zu unser aller Besten! Es dauerte eine geraume Zeit, da auch ich die Kunst der Gesprächsführung nicht beherrschte und auch heute noch mit manchen Gesprächspartnern kämpfe. Aber ich habe mir eine Vorgehensweise zurechtgelegt, die mir hilft, aus Unterhaltungen mit Lehrkräften gestärkt herauszugehen.
Vorbereitung auf ein Gespräch mit dem Lehrer
Die Vorbereitung des Gesprächs und die Einstimmung ist wichtig und sollte auf keinen Fall vernachlässigt werden.
A. Einstimmung auf den Gesprächspartner
- Ich schaue mir das Foto auf der Homepage an. So erkenne ich den Lehrer gleich. Das gibt Sicherheit bei der Begrüßung.
- Ich lasse mir von meinen Kindern Feedback geben.
- Was gefällt ihnen? Was hätten sie gerne verändert?
- Wie zufrieden sind sie mit der Unterrichtsgestaltung und dem Verhalten des Lehrers den Schülern gegenüber?
Die gesammelten Infos dienen mir als (positives) Feedback für den Lehrer, das im Gespräch eine wichtige Rolle spielt.
- Die innere Einstellung gegenüber dem Gesprächspartner ist wichtig.
Ich versuche, ungeachtet meiner bereits gesammelten Eindrücke vom Foto, von den Erzählungen der Kinder oder anderer Eltern, nicht in die Falle der Vorurteile zu tappen.
Bevor ich zum Gespräch gehe, versuche ich meinen eventuell entstandenen Unmut oder aufgekommene Wut erst abzubauen.
B. Gesprächsziel/e erarbeiten
- Es ist wichtig, mir Ziele zu formulieren, die ich in diesem oder durch dieses Gespräch erreichen möchte.
Sie bilden den Leitfaden des Gesprächs. Bin ich mir meiner Ziele bewusst, dann drifte ich im Gespräch nicht ab. Sie dienen der Orientierung und Rückorientierung.
Als Hilfe notiere ich mir meine Ziele!
- Fragen, die ich beantwortet haben möchte, formuliere ich mir zu Hause vor und eventuell notiere ich sie mir, damit ich sie nicht vergesse.
Fragen richtig stellen
Was sind gute Fragen für ein Gespräch? Gute Fragen sind jene, die eine gesprächsanregende Wirkung haben. Sie sollen dem Gesprächspartner Platz für seine Antworten machen. Man nennt solche Fragen „offene Fragen“.
Gute Fragen sind offen, positiv, wertfrei, prägnant und verständlich formuliert. Sie regen zum Nachdenken an und unterstützen damit eine erfolgreiche Kommunikation.
„Welchen Eindruck haben Sie von der Klassengemeinschaft?“
„Wie denken Sie darüber?“
Nicht zu verwenden sind „geschlossenen Fragen“, da sie dem Gesprächspartner nur die Antwortmöglichkeiten „ja“ oder „nein“ einräumen. Dadurch entsteht eine Befragung, bei der sich einer der Partner in die Ecke gedrängt fühlen kann.
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Ist der Tag des Gespräches da, bereite ich mir in Ruhe meine Notizen vor. Ich verinnerliche kurz meine Gedanken und zentriere mich. Ich schaue auf meine Bedürfnisse und Gefühle und reagiere dementsprechend. Vielleicht habe ich einen trockenen Mund und muss noch dringend etwas trinken oder ich brauche zu meiner Beruhigung eine Tasse Kaffee oder Notfalltropfen. Ganz egal was, ich sorge für mich, denn so bin ich bereit und präsent.
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Worauf achte ich beim Gespräch mit dem Lehrer?
- Ich achte auf meine Haltung im Gespräch.
Meine Haltung ist eine erste Kontaktaufnahme mit dem Gesprächspartner. Sie soll meine Bereitschaft und mein Interesse für das Gespräch signalisieren. Meine äußere Haltung spiegelt meine innere Haltung wider.
- Ich achte auf einen respektvollen Umgang mit dem Gesprächspartner. Dazu gehört für mich:
- Ich lasse den Lehrer zu Beginn erzählen und lasse ihn auch ausreden. Ich unterbreche ihn nicht, um dagegen zu argumentieren. Ich unterbreche nur, um Fragen zu stellen, um zu verstehen. Rückfragen signalisieren mein Bemühen, den Gesprächspartner zu verstehen und gleichzeitig Interesse am Inhalt.
- Ich versuche sachlich zu argumentieren und bleibe dabei ruhig und freundlich, auch wenn es mir schwerfällt. Wenn die Emotionen hochkochen, kommt es schnell zu Schuldzuweisungen, die eventuell Probleme und Konflikte verstärken, anstatt sie zu bearbeiten und zu lösen.
- Ich achte darauf, meine Inhalte und Anliegen in Ich-Botschaften zu verpacken. Diese Botschaften sollen ehrlich und authentisch sein. Sie offenbaren dem Lehrer meine Einstellung und Gefühle zur besprochenen Thematik, ohne ihn dafür verantwortlich zu machen oder in die Ecke zu drängen.
Das ist auch beim Argumentieren wichtig: „Ich bin anderer Meinung…“ ist durchaus erlaubt!
- Ich baue im Gespräch immer positives Feedback für den Lehrer ein. Dabei beziehe ich mich auf Positives, das mir auffällt oder auf das Feedback meiner Kinder. Es sorgt für ein ausgleichendes Gesprächsklima. Ich bleibe immer bei der Wahrheit und erfinde nichts. So bleibe ich authentisch.
- Ich bedanke mich für das Gespräch und fasse eventuell in einem Satz zusammen, wie wir verbleiben oder worauf wir uns geeinigt haben.
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Schon bei der Heimfahrt startet meine Reflexion. Bin ich energiegeladen, positiv gestimmt und inspiriert? Dann weiß ich, dass das Gespräch zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort, mit der richtigen Person stattgefunden hat und ich bin zufrieden.
Ein hawaiianisches Sprichwort sagt:
„Niemand wird verletzt, wenn man das Richtige tut.“
Machen wir uns auf, das Richtige zu tun. Für uns selbst und unsere Kinder!