Alle Kinder warten bereits vor der verschlossenen Türe des Übungsraumes. Kleine und schon etwas größere Kinder, geschätzt zwischen 6 und 10 Jahren. Sie tragen ihre schwarzen Anzüge mit den verschiedenfarbigen Schärpen. Weiße, gelbe und orange Schärpen. Da endlich kommt er, der „Meister“ oder „Shifu“ (ist Mandarin und bedeutet Meister, Lehrer) wie sie ihn nennen, alle haben schon auf ihn gewartet.
Das Knäuel vor der Türe lockert sich und ungehindert darf der Meister an den Schülern vorbei zum Eingang. Alle warten bis er im Raum ist und erst dann betreten sie nacheinander, ohne Drängeln und Streit, den Trainingsraum. Die Älteren begrüßen ihren „Meister“ persönlich, geben ihm die Hand und machen eine kleine Verbeugung, manche Jüngere machen es nach, andere sind noch zu schüchtern, sie huschen schnell auf ihren Platz. Ein einfaches „Aufstellung bitte!“ genügt. Alles hat seine Ordnung, die Kinder wissen Bescheid. Jeder stellt sich auf seinen angestammten Platz, die Schüler mit den höheren Rängen vorne und die Anfänger hinten. Ruhe kehrt ein und alle richten ihren Blick zum Shifu. Es erfolgt ein kurzes Begrüßungsritual und dann beginnt das Training.
Für einen Erwachsenen ist das faszinierend zu beobachten. Faszinierend deshalb, weil das alles in Ruhe, wie von Zauberhand geleitet, vor sich geht. Es braucht keine ständigen verbalen Anweisungen und keine Ermahnungen. Die Kinder orientieren sich am Meister und das Ergebnis ist Disziplin, Ordnung und Respekt.
Drei Wörter, die in uns Erwachsenen oftmals eher Widerstand oder Unmut erzeugen. Gerade wenn wir an Schule denken, assoziieren wir mit diesen Wörtern ganz andere Bedeutungen. Respekt vor einem Lehrer zu haben, hatte meist etwas mit Angst zu tun, Disziplin hatte eher den Beigeschmack von körperlicher Strafe und Ordnung bedeutete oft Starre und Zwang.
Dabei sind Disziplin, Respekt und Ordnung drei große Werte, die, wenn sie in uns ausgeglichen sind und wir sie in ihrer wahren Bedeutung leben können, enormen Wert haben und uns bereichern.
So hilft uns ein Maß an Disziplin, uns in Gruppen einzufügen und bestimmte Verhaltensregeln einzuhalten, aber auch dabei, unseren eigenen Willen und unsere Gefühle zu beherrschen und uns selbst zu regulieren (Selbstdisziplin).
Zur Ordnung zählt sowohl die Ordnung in sozialen Gruppen als auch das Verhalten eines Einzelnen in der Öffentlichkeit. Ordnung hat immer etwas mit „geordnet sein“ zu tun. Ordnung bietet Grenzen und Grenzen vermitteln Sicherheit. Also auch ein guter Wert.
Zuletzt haben wir nun den Respekt, den am häufigsten verkannten Wert. Denn Respekt bezeichnet die Wertschätzung und die Aufmerksamkeit gegenüber einem anderen Menschen, aber auch gegenüber jedem anderen Lebewesen. Es besteht ein großer Unterschied zwischen dem, dass ich vor jemanden Respekt habe und deshalb scheu oder beeindruckt bin, und dem, dass ich vor jemandem Angst habe und ihm lieber aus dem Weg gehe.
Was hat das nun mit Kung-Fu zu tun?
Kung-Fu dient, als Mutter aller Kampfkünste, nicht nur der Selbstverteidigung, sondern ist auch eine Lebenseinstellung, ja eine Lebensphilosophie. Im Vordergrund steht nicht nur das Erlernen der Kampf- und Verteidigungstechniken, sondern die Auseinandersetzung mit sich selbst und der eigenen Entwicklung.1
Kung-Fu bedeutet übersetzt: „Etwas durch harte und geduldige Arbeit Erreichtes“2
Wir sehen schon, es braucht nicht nur körperliche Ertüchtigung, um Kung-Fu zu erlernen, sondern es gehört auch dazu, an sich selbst zu arbeiten und der Wille, sich weiterzuentwickeln und seine Persönlichkeit zu definieren. Dazu braucht es Werte, die uns als Person definieren, die uns unterstützen, die uns eine Richtung vorgeben.
Und es braucht einen Lehrer, einen Meister, der mir das als Kind, aber auch als Erwachsener vorleben kann, an dem ich mich orientieren kann, der zeigt, wie es gelingen kann! Und es braucht einen Schüler, der willens ist, diesen Weg zu gehen!
Wie finde ich die für mich richtige Kung-Fu Schule?
Als mein Kind vor 5 Jahren mit dem Wunsch zu mir kam, es möchte Kung-Fu lernen, war ich etwas skeptisch. Ich hatte mich zuvor noch nicht mit diesem „Sport“ beschäftigt und wusste zu wenig darüber. Die Suche nach einer geeigneten Schule erwies sich als gar nicht so einfach. Es werden viele asiatische Kampfsportstile angeboten: Aikido, Ving Tsun, Judo, Karate, … Aber mit Kung-Fu hatte ich bei der Suche so meine Schwierigkeiten. Am Schluss sahen wir uns zwei unterschiedliche Schulen an und trafen danach eine Entscheidung. Ausschlaggebend für unsere Entscheidung war die Haltung des Trainers beziehungsweise die Philosophie der Schule und des Trainings. In der Schule, die wir nicht wählten, wurde die gesamte Übungsstunde jeder Kick und jeder Schlag mit Sätzen eingeleitet, wie „Und wenn dir einer am Schulhof blöd kommt, dann…“ Das gefiel mir von Anfang an nicht. Und mein Kind fühlte sich dort nicht wohl. Die Menschen, die unterrichteten, waren nicht „menschenfreundlich“, sie wirkten „explosiv“ – jeder der mir zu nahe kommt, will mir etwas Böses. Das ist keine gesunde Lebenshaltung, sondern verstärkt nur das eigene Misstrauen.
Wir entschieden uns für den Trainer mit der positiven Lebenseinstellung. Der spielerisch und mit Leichtigkeit die Kinder zu tollen Leistungen motivierte und der diese Kampfkunst lebte und eine friedvolle, lebensbejahende Haltung ausstrahlte.
Vorteile von Kung-Fu auf einen Blick
Erst durch meine Nachforschungen über Kung-Fu lernte ich diese Kampfkunst und die vielen Vorteile und Möglichkeiten, die es Kindern aber auch Erwachsenen eröffnet, richtig kennen. Es beinhaltet eine große Bandbreite an Förderungen für die Entwicklung des Menschen, die für die Haltung zum Leben und das Leben selbst enorme Bedeutung haben.
- Kung-Fu unterstützt und stärkt die Gesundheit.
- Die Kampfkunst wirkt harmonisierend auf Körper und Geist.
- Kung-Fu ermöglicht es den Kindern, die eigenen Grenzen zu erleben, mit diesen umzugehen und sie zu akzeptieren.
- Kinder werden gestärkt, denn sie lernen gefährliche Situationen besser einzuschätzen. Sie werden dadurch selbstbewusster, ohne sich selbst zu überschätzen.
- Kung-Fu wirkt sich positiv auf die körperliche, geistige, emotionale und soziale Entwicklung aus, da es ein Ausdruck von Lebensfreude ist.
- Es unterstützt die Entwicklung der Grob- und Feinmotorik, der Koordination, der Geschicklichkeit und Beweglichkeit. Aber auch der kräftige Stand am Boden wird geübt.
- Die Wahrnehmungsfähigkeit und die Körperbeherrschung werden verbessert.
- Ausdauer, Schnelligkeit, Kraft, Aufnahmefähigkeit, Denkfähigkeit, Reaktionsfähigkeit und Konzentration werden geübt und dadurch gesteigert und gefördert.
- Die sozialen Fähigkeiten werden gestärkt. Die Kinder lernen einen höflichen und respektvollen Umgang miteinander.
- Kung-Fu lehrt Konflikte und Probleme zu vermeiden, sie richtig einzuschätzen und entsprechend darauf zu reagieren. Gleichzeitig lehrt es auch den Umgang mit Aggressionen, den eigenen und auch den mit denen der Mitmenschen.
- Selbstsicherheit, Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen werden aufgebaut und gestärkt. Dadurch kann mit Stress, Druck und mentalen Belastungen ein besserer Umgang gefunden werden.
- Die Kinder lernen sich in Notfällen zu verteidigen, das gibt Sicherheit und macht selbstbewusst.3
Viele der Vorteile sind besonders für Kinder im Schulalter sehr hilfreich und nützlich, damit der Schulalltag mit all seinen Höhen und Tiefen gut gemeistert werden kann. Kung-Fu unterstützt sie in ihrer Entwicklung und hilft ihnen, schwierige Situationen zu bestehen, sich ihnen zu stellen und sie gut zu verarbeiten.
Wir alle wünschen uns Kinder, die stark und selbstbewusst durchs Leben gehen. Die sich selbst als Person anerkennen und zu sich stehen. Die sich nicht unterkriegen lassen und trotzdem für andere Mitgefühl zeigen können. Die gegenüber dem Leben, ihrem eigenen Leben, respektvoll sind, aber auch die Mitmenschen nicht aus den Augen verlieren. Kinder, die in unserer leistungsorientierten Welt bestehen und trotzdem gute Teamplayer sein können.
In einer Zeit, in der Gewalt an Schulen, öffentlichen Plätzen und in den sozialen Medien an der Tagesordnung steht, ist es enorm wichtig, dass Kinder gestärkt und selbstbewusst sind. Gleichzeitig müssen sie wahrnehmen, dass auch sie Verantwortung haben im Umgang mit Mitschülern und Lehrern in der Schule, aber auch innerhalb der Medienwelt.
Kinder brauchen einen sicheren Umgang mit sich, mit ihrem Körper, mit ihrem Geist und ihren Gefühlen. Das ist Voraussetzung dafür, dass sie auch mit anderen diesen respektvollen Umgang pflegen können. Im Kung-Fu werden Körper und Geist trainiert und das wirkt sich direkt auf das eigene Seelenleben aus. Eine Lern- und Lebensschule par excellence!
Es ist Prüfung. Angespannte Stimmung unter allen, die heute anwesend sind. Auch die Eltern sind eingeladen zuzusehen und den im Training erreichten Fortschritt anzuerkennen. Anstatt der T-Shirts und der Hose werden heute die kompletten Anzüge getragen. Die aufgenähten Sterne zeigen die bereits erreichten Ränge gemeinsam mit der färbigen Schärpe. „Heute ist Prüfung! Heute geben alle ihr Bestes!“ Die Worte und die Haltung des Meisters erfüllen den Raum. Es geht los! Zentrierung! Innere Ruhe und Konzentration! Nach einer kurzen Aufwärmrunde wird die Kondition auf die Probe gestellt. Liegestütze 10+, Sit-ups 10+, und das Verharren in den Kung-Fu-Stellungen. Nebenbei werden chinesische Bezeichnungen für die einzelnen Positionen und das Zählen bis 10 abgefragt. Alle machen mit und kennen keine Müdigkeit. Die Anfänger lernen von den Fortgeschrittenen, jeder macht bei jeder Prüfung mit, soweit er kann, egal welchen Grad er bisher erreicht hat. Nach der Trinkpause kommen die Kicks und Schläge! Alle chinesischen Bezeichnungen müssen sitzen und jeder zeigt sein Können. Wer das Schlagpolster nicht sofort trifft erhält eine zweite Chance. Keiner wird ausgelacht, wenn mal etwas nicht so klappt. Alle sind bei sich und mit sich selbst beschäftigt. Kicks und Schläge werden auch ausgeführt, wenn man nicht am Schlagpolster dran ist. Und nicht zu vergessen der Kampfschrei, auch der muss dabei sein. Maximale Energie!
Bestanden! Voller Stolz nehmen die Kinder ihre erreichten Sterne und Schärpen entgegen. Auch der Shifu ist stolz auf seine Schützlinge. Anerkennend legt er seine Hand auf die Schulter und gratuliert. „Das hast du gut gemacht. Du kannst stolz auf dich sein!“ Wichtige Sätze, die ehrlich gemeint sind. Im Fokus stehen die Stärken der Kinder. Es tut ihnen gut, dass sie in ihrer Ganzheit gesehen werden. Balsam für die Kinder. Balsam auch auf den Seelen der Eltern.
Die hohe Qualität der Energie wirkt auch auf mich. Ich bin begeistert. Die Kinder haben sich verändert, sie sind groß geworden. Ja sie wirken richtig erwachsen. Einfach schön zuzusehen, wenn Kinder sich zu starken Persönlichkeiten entwickeln, in körperlicher und mentaler Hinsicht.
XièXiè Shifu (Danke Meister)
Alles Liebe Christa
- http://www.kungfu-wels.at/martial-arts-kampfkunst-wels-kungfu-taiji-ing-chun.html zugegriffen am 10.07.2018
- http://www.kungfu-wels.at/martial-arts-kampfkunst-wels-kungfu-taiji-ing-chun.html zugegriffen am 10.07.2018
- Sammlung der Vorteile ausgearbeitet aus folgender Homepage http://www.kampfkunst-wels.at/index.html zugegriffen am 10.07.2018